Ein nächtlicher Spaziergang

Es war dunkel draußen. Ich wanderte alleine durch die Straßen und schaute mich immer wieder um, aus Angst, dass aus einer dunklen Ecke jemand mit einem Messer auf mich zukommen würde. Nicht das es jemals in diesem perfekten Viertel passieren könnte, aber man wusste ja nie. Hätte mir auch ein Taxi leisten können, aber mir war nach Laufen. Den Kopf freikriegen.

Ich kam gerade von einer Party zurück, die nicht so toll lief. Ich hatte mitbekommen, wie mein Freund mit einem anderen rummachte. Aber von mir Treue fordern, also machte ich Schluss mit ihm. Warum passierte mir nur immer wieder so ein Scheiß? Warum lernte ich nur ständig die falschen Typen kennen? Ich wollte doch nur dasselbe wie alle. Einen kennenlernen, sich verlieben,  Treue, heiraten, Glück.

Jetzt denkt ihr bestimmt und mit dem regenbogenpupsenden Einhorn in den Sonnenuntergang reiten. Schon klar, dass es nicht nur Höhen gab, sondern dass eine Beziehung einem Gebirge ähnelte. Mit vielen Höhen und Tiefen. Aber vielleicht bekommt man es ja hin, dass die Höhen überwiegen.

So in Gedanken versunken, achtete ich nicht auf den Weg, schaute nur auf den Boden und krachte in etwas Weiches hinein.

„Pass doch auf wo du hingehst.“ wurde ich angeherrscht. Ich schaute auf und schaute einem Mann in die Augen. „Sorry. War in Gedanken.“ entschuldigte ich mich, bevor mir der Geistesblitz kam, dass er genauso wenig, wie ich auf etwas geachtet haben musste, sonst wäre er mir doch bestimmt aus dem Weg gegangen. „Aber anscheinend hast du ebenso wenig wie ich aufgepasst.“ schob ich deswegen noch schnell hinterher.

Ein Lächeln schob sich in sein Gesicht und das machte ihn unglaublich attraktiv. Ich konnte nicht wegschauen. „Das mag sein. Worüber hast du nachgedacht?“ fragte er mich auffordernd. „Äh“ gab ich überrascht von mir. So musste ich auch ausschauen. „Also ich habe darüber nachgedacht, was ich jetzt mit der angefangenen Nacht mache. Auf einen Club oder Bar hatte ich nämlich keine Lust. Zuhause kenne ich bereits alles und so wusste ich nicht, wohin ich jetzt gehen soll. Jetzt du.“ fing er an.

„Also ich habe mich gefragt, warum ich immer an die falschen Typen gelange. Wie es sein kann, dass ich anscheinend mir immer wieder denselben Typus Mann suche.“-„Oha, das sind ziemlich tiefschürfende Gedanken für so eine späte Stunde.“ entgegnete er. „Oder frühen Stunde. Ansichtssache“ konnte ich mir nicht verkneifen.

„Was hältst du davon, wenn wir uns einfach nur so dahintreiben lassen? Es regnet nicht, wir frieren nicht und es ist eine sternenklare Nacht. Warum immer ein Ziel haben müssen?“ schlug ich vor, aus völlig egoistischen Gründen. Ich wollte mehr Zeit mit ihm verbringen, wollte ihn kennenlernen. Er dachte kurz darüber nach und nickte dann. „Ein guter Vorschlag. Also, welche Richtung? Meine oder deine?“-„Lass uns in deine gehen. Bin übrigens Andi.“-„Jonas. Dann mal los, Andi. Also, dann erklär mir mal, warum du immer die falschen Typen hast.“

Wir gingen los und ich begann zu erzählen. Keine Ahnung, warum ich mich ihm einfach so öffnen konnte. Aber wir konnten richtig gut miteinander reden. Wir überlegten, wie ich es schaffen konnte, mal die richtigen Typen kennenzulernen und kamen zum Schluss, dass man meinen Traummann wohl erst noch backen müsste. Den schien es nicht zu geben.

Er erzählte mir von seinen Beziehungen, bzw. die eine ernsthafte, die er bisher hatte. Die Dame war sehr eifer- und kontrollsüchtig. Seitdem hatte er keine mehr, aus Angst wieder an so eine Dame zu gelangen. Aus diesem Grunde ging er gerne mit zu den Frauen, die er aufriss und verschwand am nächsten Morgen vor dem Frühstück wieder, selbstverständlich ohne Nummeraustausch.

Wir gingen und redeten. Im Nachhinein konnte ich nicht mehr sagen, wo wir überall lang liefen. Wir ließen uns treiben. Mal entschied er an einer Kreuzung geradeauszulaufen, mal entschied ich an einer anderen Kreuzung rechts zu laufen. Stunden vergingen so.

Irgendwann bemerkten wir, dass es heller wurde. Nach einem Blick auf die Uhr stellten wir fest, dass es bereits fast sieben Uhr war. „Hast du Hunger? Bestimmt finden wir eine Bäckerei bei der wir frühstücken können.“ schlug er vor. „Das ist eine gute Idee.“ Wir gingen etwas wachsamer auf die Umgebung achtend, weiter. Kurze Zeit später fanden wir auch eine Bäckerei und bestellten belegte Brötchen und Kaffee.

Wir setzten uns auf eine Bank vor der Bäckerei und ich musste ständig zu ihm rüber sehen. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätten wir noch ewig weitergehen und reden können. Ich wollte mich nicht von ihm trennen, hätte ihn am liebsten mit nach Hause genommen. Wie konnte es sein, dass man sich innerhalb weniger Stunden so in einen Menschen verlieben konnte, obwohl man sich überhaupt nicht kannte? War es überhaupt verliebt sein? Ah, schon wieder diese vielen Fragen.

„Worüber denkst du jetzt schon wieder nach?“ fragte Jonas prompt. Ich gab ihm eine ehrliche Antwort darauf. Noch nie war ich einem Menschen gegenüber so ehrlich, wie in den letzten Stunden ihm und hatte das Gefühl, dass er es genauso hielt. „Wie man sich in nur wenigen Stunden so heftig, wie ich in einen anderen verlieben konnte.“ Er schaute mich an, sagte nichts. Ich bereute meine Worte schon und dachte, dass er gleich wegrennen würde. Immerhin war er eine Hete. Er schaute mich immer nur weiter an. Ich schaute nicht weg, konnte mich nicht von seinem Blick lösen.

„Wollen wir zu dir oder mir? Aber ich muss dich warnen. Bisher hatte ich noch nie etwas mit einem Mann. Nur Phantasien und Träumereien und Infos aus dem Internet.“-„W-was?“ fing ich an zu stammeln. Hatte ich mich auch nicht verhört? „Ich dachte, du bist eine Hete.“ Er zuckte mit den Schultern. „Vielleicht auch nur einer, der sich seiner Sexualität schon seit etwa einem Jahr bewusst ist, sich aber nie getraut hat und jetzt einfach den richtigen Schubser vom Schicksal erhalten hat.“

Ich musste ihn immer noch verwirrt und überrascht anstarren. „Mach den Mund zu und gib mir eine Antwort.“ lachte er los.

„Vielleicht zu dir, wo du dich sicher fühlst.“ antwortete ich ihm endlich. Ein Lächeln huschte mir übers Gesicht. „Okay, dann lass uns los. Wir sind zu Fuss bestimmt eine halbe Stunde unterwegs.“ Er stand auf und reichte mir seine Hand. Ich nahm sie und stand ebenfalls auf. Als er losgehen wollte, hielt ich ihn an und zog ihn an mich. „Erst will ich dich kosten.“ flüsterte ich ihm zu, als wir ganz nah voreinander standen und küsste ihn. Er erwiderte den Kuss. Als wir uns wieder lösten, lächelten wir uns an. „Jetzt können wir los.“ forderte ich ihn auf und wir gingen los.

Hatte ich endlich mal den Richtigen gefunden? Es wird sich zeigen in der Zukunft. Der Anfang gefiel mir Romantiker auf jeden Fall.

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Ingo S. Anders

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